Da für die Handelsbranche praktikable Lösungsansätze für mehr Energieeffizienz in Gebäuden mit großer Breitenwirkung fehlen, hat die Deutsche Energie-Agentur (dena) das Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“ gestartet. Zusammen mit Partnern aus Wirtschaft und Verbänden – so auch mit dem Handelsverband Deutschland – werden im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) Konzepte entwickelt, mit denen Energieeinsparungen in der Größenordnung von 30 bis 40 Prozent erreicht werden sollen.
An den Projekten des dena-Modellvorhabens beteiligen sich inzwischen 25 unterschiedliche Handelsunternehmen – vom Dorfladen bis zum SB-Warenhaus über Einzelhandelsketten und den Fachhandel. An konkreten Effizienzprojekten wird erprobt, wie ökonomisch und ökologisch tragbare Konzepte für den Einzelhandel aussehen könnten. Die Leuchtturmprojekte sollen viele Nachahmer in der Branche finden und ein Engagement für Nachhaltigkeit und Klimaschutz anregen. Der Handel kann so zum Vorbild für den gesamten Nichtwohngebäudebereich werden.
Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, erklärt im Interview, welche politischen Rahmenbedingungen den Einzelhandel bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen unterstützen und wie mehr Gebäude trotz Mieter-Vermieter-Dilemma saniert werden könnten.
Zu welchen Ergebnissen sind Sie im Rahmen Ihres Modellvorhabens gelangt?
Andreas Kuhlmann: Mit dem Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“ zeigt die dena, wie es gelingt, Energiesparpotenziale im Handel wirtschaftlich zu erschließen. Als zentralen Hebel nutzen wir dafür eine fundierte Energieberatung, um Potenziale zu identifizieren und die Teilnehmer des Modellvorhabens zur Umsetzung der skizzierten Maßnahmen zu motivieren. Es gibt kein Patentrezept für das optimale Sanierungsergebnis, weil der Handel einfach so heterogen ist. Aber ohne umfassende, individuelle Beratung bleibt jede Sanierung nur Stückwerk. Ein Energieberater, der sich mit den Erfordernissen des Handels auskennt, ist deshalb so wichtig.
Zugleich stellen wir fest, dass das Thema Strom bei der Auseinandersetzung mit Effizienzansätzen dominiert. Viele Händler sind Mieter und dadurch in ihren Möglichkeiten beschränkt, Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen, die sich wiederum möglichst schnell rechnen müssen. Maßnahmen an der Gebäudehülle werden also nur selten umgesetzt. Dennoch lohnt es sich, das Thema Gebäudehülle im Rahmen der Energieberatung intensiv zu behandeln – gerade für viele kleine Händler, die in mischgenutzten Gebäuden aktiv sind.
Eine weitere Erfahrung: Beim Wissen über technische Möglichkeiten oder Fördermittel gibt es noch viel Luft nach oben. Hier merkt man gerade bei kleinen und mittleren Händlern, dass Energieeffizienz eben nicht zum Kerngeschäft gehört und es an entsprechendem Know-how fehlt.
Welche politischen Rahmenbedingungen können den Einzelhandel unterstützen, Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen?
Wir brauchen noch bessere Lösungen für die einzelnen Handelssegmente. So könnten beispielsweise Förderangebote, die stärker ausdifferenziert und mehr an den unterschiedlichen Bedürfnissen orientiert sind, Impulse für mehr Investitionen in
Energieeffizienz setzen. Zugleich könnten sogenannte grüne Mietverträge eine Option sein, das Mieter-Vermieter-Dilemma zu lösen: Innerhalb des Mietvertrags zwischen Händler und Gebäudeeigentümer werden Regelungen getroffen, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Investitionen in das Gebäude für beide Seiten ermöglichen bzw. erleichtern.
Das kann zum Beispiel die Zahlung eines Baukostenzuschusses für Mieter durch den Eigentümer sein, wenn der Mieter in Energieeffizienz investiert. Hier ist Politik gefragt, entsprechende Ansätze zu stärken. Auch ein Moderationsprozess durch Dritte könnte dabei helfen, gemeinschaftliche Ansätze von Eigentümern und Mietern zu entwickeln, von denen beide Seiten profitieren.
Wie sehen Sie die zukünftige Rolle des Einzelhandels als Akteur in einem Energiesystem?
Der Einzelhandel kann und wird eine wichtige Rolle im Energiesystem der Zukunft spielen – auch weil immer mehr Händler einen Teil ihrer Energie selbst produzieren oder über ihre Gebäude eine wichtige Rolle bei der Speicherung von Energie einnehmen. Da Handel und Verkehr eng miteinander verbunden sind − sowohl seitens der Logistik als auch der Kunden −, kann der Handel auch hier eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen. Hier sollten wir offen sein für neue Ideen und Angebote.
Auch wenn es schwer vorauszusehen ist, wie Kundenverhalten oder Energiesystem konkret im Jahr 2050 aussehen werden, ist eins sicher: Es wird anders sein. Und es ist in jedem Fall besser, selbst zu gestalten, als zuzuschauen.
Wie Handelsgebäude einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten können, zeigt der Animationsfilm zum dena-Modellvorhaben „Energieeffizient Handeln“
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