Ob Lampenschirme aus Kaffeesatz, Kleiderstangen aus ehemaligen Wasserrohren oder Kassentresen aus abgetragenen geschredderten Jeans: Nachhaltiger Ladenbau kann ein echtes Erlebnis sein und viel Stoff für Storytelling bieten. Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, kann er sich auch rechnen – für die Umwelt allemal.

„Dennoch findet Nachhaltigkeit im Ladenbau des deutschen Handels bisher kaum statt“, bedauert Tina Jokisch, Geschäftsführerin von Schwitzke & Partner aus Düsseldorf – Designer, Architekten, Generalunternehmer –, die sensibilisieren möchte. „In den USA beispielsweise ist die Umsetzung inzwischen quasi ein Muss, anderenfalls geht man das Risiko ein, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.“ Wichtig: „Das Thema erfordert eine ganzheitliche Betrachtung“, sagt Sina Juhnke von The Store Designers aus Köln, und betont gleichzeitig: „Jeder Schritt zählt!“

Ganzheitliche Betrachtung der Materialkreisläufe

„Ladenbau sollte aus möglichst nachwachsenden oder recycelten, lokal bezogenen Ressourcen und unter Berücksichtigung des Cradle-to-Cradle-Prinzips gefertigt werden. Er sollte möglichst CO2-neutral sein und zu einem späteren Zeitpunkt zurückgebaut und in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. Qualität, Zeitlosigkeit und ein hohes Maß an Flexibilität gewährleisten einen langen Lebenszyklus“, erläutert Jutta Blocher, Co-Founder und Head of Interior des Stuttgarter Architekturbüros Blocher Partners.

Gut also, wenn schon die Planungsbüros mit der Materie vertraut sind. Ppm aus Dormagen, Generalunternehmer im Innenausbau, erhielt 2015 das Ökoprofit-Zertifikat und agiert seit 2019 selbst klimaneutral. Ppm ist zudem, wie auch Blocher Partners und Schwitzke & Partner, Mitglied der DGNB, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Die DGNB wiederum verleiht Gütesiegel, deren Anforderungsprofile bereits sehr hilfreiche Checklisten darstellen, um Ressourcen zu schonen, ohne die ökonomische Seite zu vernachlässigen.

Natürliche und recycelte Materialien: Von der Baustelle bis zur Demontage

Das Boss Outlet in Metzingen (ein Blocher Partners-Projekt) wurde nach dem DGNB-System mit Platin zertifiziert. Es wurde viel Wert auf natürliche und recycelte Materialien gelegt sowie ein geringer Rückbauaufwand berücksichtigt. Darüber hinaus liegt dem Gebäude ein ausgeklügeltes Energiesystem mit mehreren Kilometern Erdwärmesonden und einem großen Klimaspeicher im Sprinklertank zugrunde.

Für Lidl fängt mehr Nachhaltigkeit bereits auf Baustellen an, der Discounter unterstützte die DGNB daher bei der neuen Zertifizierung „Nachhaltige Baustelle“, die er 2021 als erster Bauherr für das Projekt in Winnenden erhielt. 

Das Boss Outlet in Metzingen erhielt das DGNB-Zertifikat in Platin

Durchdachter Material- und Technik-Einsatz

Vor allem gehen bei dem Thema aber jene Unternehmen voran, bei denen Nachhaltigkeit ohnehin Teil der DNA ist. Die ecofaire Fashionmarke Armedangels hat gemeinsam mit Ppm den CO2-Fußabdruck ihres Shopkonzepts analysiert und kompensiert. Ppm hat ein Tool entwickelt, um schon in der Konzeptionierung die Ökobilanz der Möbel zu ermitteln.

Der nachhaltige Outdoor-Ausrüster Vaude setzt im Ladenbau unbehandeltes FSC-zertifiziertes Eschenholz aus der Region, Linoleum aus 98 Prozent nachwachsenden Rohstoffen wie Leinöl und Naturharz sowie ein Beleuchtungskonzept mit LED und 100 Prozent Ökostrom ein.

Die Vaude-Stores: mit unbehandeltem Eschenholz und Linoleum-Böden aus nachwachsenden Rohstoffen.

In den Alnatura Super Natur Märkten bilden Böden in Cotto-Optik aus natürlichen Rohstoffen die Grundlage. Die Regale aus deutschem Fichtenholz werden in Südhessen gefertigt, die Hölzer mit lösemittel- und mineralölfreien Farben auf Schelllackbasis behandelt. Die abgehängten Decken bestehen zu über 75 Prozent aus recyceltem Aluminium. Durch Lichtreflexion gewährleisten sie viel Helligkeit, sodass die energiesparenden LED-Lampen gar nicht mehr so viel Beleuchtung beitragen müssen.

Seit 2008 befinden sich Türen vor allen Kühlregalen, bei Neueröffnungen und Umbauten kommen zudem natürliche Kältemittel wie Propan, Butan und CO2 für die Kühlmöbel zum Einsatz. Wenn möglich, werden überdies CO2-Verbundanlagen eingebaut, die die Abwärme der Kühlmöbel zum Heizen der Märkte nutzen. Nachhaltiger Ladenbau – das Thema ist komplex, aber im Idealfall eine runde Sache!

Alnatura: Vom Produkt bis zur Einrichtung so nachhaltig wie möglich

Top-Tipps im Überblick

  • DGNB-Anforderungsprofil als Checkliste hinzuziehen (bzw. das Projekt entsprechend zertifizieren lassen)
  • Flexible Grundrisse und Module entwickeln, die sich vielfältig nutzen lassen
  • Schon bei der Planung an Rückbau, Weiternutzung und einen möglichen Materialkreislauf denken
  • Natürliche oder recycelte, möglichst regionale Materialien verwenden
  • CO2-Emissionen ermitteln und kompensieren

 

Text: Stefanie Hütz