Die Bedeutung des Begriffs „Klimaneutralität“ wird kritisch diskutiert. Wie definieren Sie Klimaneutralität und wo sehen Sie derzeit Schwächen und Stärken in der Auslegung?
Der Begriff Klimaneutralität bedeutet die Waage halten, balancieren, sich gegenseitig neutralisieren. Klimaneutrale Prozesse haben keinen Einfluss auf das Gleichgewicht der Atmosphäre. Klimaneutral sind Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen im Ganzen, wenn sie nach der Ermittlung der individuellen CO2-Bilanz, dem sogenannten Carbon Footprint, die ermittelten Emissionen ausgleichen und damit Netto-Null-Emissionen ausweisen. Wichtig dabei ist: Klimaneutralität heißt nicht gleich emissionsfrei.
Wo sehen Sie Schwächen?
Eine große Schwäche sehe ich in der Ermittlung der auszugleichenden Emissionen. Denn aktuell gibt es keinen einheitlichen Standard für die Klimaneutralität. Und damit auch keine Regelung, wie die Systemgrenzen bei der Bewertung von Unternehmens- oder Produktemissionen gesteckt sind.
Ein Beispiel: Zwei Unternehmen werben mit dem Label „Klimaneutrales Unternehmen“. Das eine Unternehmen beschränkt sich bei der Klimabilanzierung ausschließlich auf direkte und indirekte Emissionen aus Energieerzeugung (Scope 1 und 2). Das andere Unternehmen rechnet die gesamten Emissionen, welche auch in den Vorketten der eingekauften Rohstoffe entstehen, mit in die Bilanz ein. Beide werben mit dem gleichen Claim: „klimaneutrales Unternehmen“. Die Bewertung sowie der finanzielle Aufwand für den Ausgleich stehen jedoch in keinem vergleichbaren Verhältnis. Hier ist dringend eine einheitliche Regelung und deutlich mehr Transparenz bei der Ausweisung der Berechnungsgrundlage notwendig.
Aber Klimaneutralität hat auch Stärken. Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss sich ein Unternehmen mit den Wirkungen des Handelns und den dabei entstehenden Emissionen auseinandersetzen. Und auch der positive Effekt, den Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern leisten, ist eine Stärke.
Wenn Unternehmen klimaneutral werden möchten, sollten sie zunächst in Reduktionsmaßnahmen investieren. Ohne die Kompensation der restlichen Emissionen ist Klimaneutralität jedoch kaum zu erreichen.
Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu, dass wir neben der Kompensation immer auch ernst gemeinte und ambitionierte Reduktionsbemühungen brauchen. Aber es ist aus meiner Sicht falsch, den Dreiklang Vermeiden, Reduzieren, Kompensieren als eine zeitliche Abfolge zu sehen. Zum einen sind Vermeidung und Reduktion ein nicht endender Prozess und zum anderen, werden durch den Ausgleich ab Tag 1 bereits Emissionen an anderer Stelle eingespart. So könnte es doch auch ein Ziel sein, den CO2-Wert, der kompensiert wird, stetig zu verringern.
Warum ist die Wahl der richtigen Kompensationsprojekte so wichtig?
Der Ausgleich über Klimaschutzprojekte ist ein globaler Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Daher sollte der Zertifikatspreis pro Tonne CO2 nicht der Hauptentscheidungsfaktor sein. Wir empfehlen bei der Auswahl des Klimaschutzprojektes den Fokus auf die größtmögliche ökologische und soziale Wirkung zu legen.
Was raten Sie Unternehmen bei der Wahl von Kompensationsprojekten?
Oft hören wir bei der Wahl des Klimaschutzprojektes, dass ein bestimmter Standard gewünscht ist. Standards als Kriterienkatalog für Klimaschutzprojekte sind wichtig. Aber Unternehmen sollten sich nicht für einen Standard, sondern für ein Projekt entscheiden. Ein Standard kann die Einhaltung eines Minimumkriterienkataloges sicherstellen, die wirklichen Qualitätsunterschiede werden dabei nicht berücksichtigt. Achten Sie beispielsweise bei der Wahl auch auf die Erfüllung der SDGs. Bestenfalls passen diese auch zu Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und sind für das Unternehmen wesentlich.
Sie verfügen über ein eigenes Kompensationsprojekt in Togo und waren erst kürzlich wieder dort. Was versuchen Sie mit dem Projekt zu erreichen?
PROJECT TOGO ist unser Herzensprojekt. Es ist unsere Vision von Klimaschutz. Kern des Projektes ist die Naturwaldaufforstung. Gleichzeitig werden die sozialen Strukturen vor Ort verbessert. Darum setzen wir zahlreiche weitere Projekte um, die Wissen ins Land transferieren und die Regionen bei einer eigenständigen und nachhaltigen Entwicklung unterstützen.
Was raten Sie Unternehmen auf Ihrem Weg in die Klimaneutralität?
Das wichtigste bei der Erstellung einer guten Klimastrategie und dem Weg zur Klimaneutralität ist Ehrlichkeit. Ehrlichkeit zu sich als Unternehmen und Ehrlichkeit in Form von Transparenz an Kund:innen und Stakeholder.
Mehr Infos auf www.natureoffice.com.