Tchibo: Klimaanpassung durch resiliente Lieferketten
Eine Herausforderung, die das traditionsreiche Handelsunternehmen Tchibo in Zukunft strategisch angehen will. Unterstützt wird der Konzern dabei von dem Projekt HDE-Adapt des Handelsverbands Deutschland mit einem kostenfreien Präsenzseminar zur Klimafolgenanpassung. Der halbtätige Workshop am 27. Juni 2024 wurde individuell für das Kaffee- und Textilunternehmen konzipiert und vom Projektteam des HDE sowie der Expertin für Klimaanpassung und nachhaltige Entwicklung, Birgit Georgi, durchgeführt.
Die Nachhaltigkeitsexpertin Marijke Schöttmer verantwortet bei Tchibo das Thema Klima. In der aktuellen Klimastrategie wurden bereits erste Schritte für ein Klimaanpassungsmanagement, wie eine Analyse spezifischer Klimarisiken in den Wertschöpfungsketten Kaffee und Baumwolle, unternommen. Nun möchte sie gemeinsam mit ihren Kolleg:innen Kristina Kölling (Leiterin des Circular Solutions Lab), Dr. Katharina Heye (Nachhaltigkeitsmanagerin und Expertin für Biodiversität) und Ashish Das (Nachhaltigkeitsmanager) die Klimaanpassung als strategisches Thema mit dem Klimaschutz verknüpfen und langfristig im Unternehmen verankern.
CSRD-Berichtspflicht als Erweiterung der Risikomanagementstrategie
Das 1949 in Hamburg gegründete Familienunternehmen Tchibo betreibt rund 900 Filialen in acht Ländern (davon 550 in Deutschland) sowie etwa 24.300 Depots im Einzelhandel. Weltweit beschäftigt Tchibo ca. 10.700 Angestellte, allein 6.800 in Deutschland. Kerngeschäft des Unternehmens sind Kaffee, Textilien und weitere Non-Food-Produkte und Dienstleistungen wie Mobilfunkangebote und Reisen. Tchibo gilt zudem als Röstkaffee-Marktführer in Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich das Unternehmen intensiv mit den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit und wurde dafür u.a. 2016 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Das Nachhaltigkeit zur DNA des Unternehmens gehört, zeigt sich auch an der Größe der CSR-Abteilung: Insgesamt 24 Mitarbeitende bearbeiten unterschiedlichste Themen: von der Kreislaufwirtschaft über Biodiversität, bis hin zu Energieeffizienz und nachhaltigen Anbaumethoden bei Kaffee und Baumwolle.
Klimastrategie überarbeiten, erste Klimarisikoanalysen erstellen
Jedes Jahr wird eine Klimabilanz nach dem Standard des Greenhouse Gas Protocol erstellt, welcher als Grundlage für die Klimazielsetzung gemäß den Kriterien der Science Based Targets Initiative dient. Aktuell ist das Unternehmen in der Überarbeitung seiner Klimastrategie und berichtet ab 2026 nach der europäischen Corporate Social Responsibility Directive CSRD, somit sind in dem Nachhaltigkeitsbericht auch Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung anzuführen. Ein erster Schritt in der CSRD-Berichterstattung ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, in der sowohl die Auswirkungen des Unternehmens auf die Anpassung der Umwelt und Menschen als auch die finanziellen Risiken und Chancen des Unternehmens durch physische Klimarisiken betrachtet werden. Unabhängig vom Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse muss jedoch ohnehin zu den Themen Klimaschutz und Klimaanpassung gemäß Standard ESRS E1 berichtet werden. Im Rahmen dessen ist eine Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse durchzuführen und Maßnahmen festzulegen.
Das Seminarangebot von HDE-Adapt unterstützt im Kontext dieser Nachhaltigkeitsanforderungen Handelsunternehmen dabei, klimaresilient zu werden und trotz Klimawandel langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Die Tools von HDE-Adapt können auch wichtige Impulse für die Bearbeitung des Themas Klimaanpassung im Rahmen der CSRD geben. Unser Selbsttest zum Klimaanpassungsbedarf beispielsweise gibt einen ersten Einblick zum Stand der Klimaanpassungsaktivitäten im Unternehmen. Unsere Arbeitshilfen unterstützen die systematische Ermittlung der unternehmensbezogenen Klimarisiken und helfen bei der Priorisierung effektiver Klimaanpassungsmaßnahmen.
Fröste und Dürren wirken sich auf Wertschöpfungsketten aus
Die für Tchibo besonders relevanten Klimarisiken liegen in den globalen Lieferketten und weniger bei den Filialen. In den Lieferketten erfolgt der überwiegende Teil der Wertschöpfung und dort treten auch die größten klimawandelbedingten, finanziellen Risiken auf.
Probleme können vor allem im landwirtschaftlichen Bereich auftreten: Beim Anbau von Kaffee und Baumwolle hat das Unternehmen mit Wasserknappheit durch anhaltende Dürre zu kämpfen. Auch außergewöhnliche Extremwetterereignisse wie Fröste – beispielsweise 2022 in Brasilien – erschweren den Kaffeeanbau und zerstören ganze Ernten. Schon jetzt machen sich jahreszeitliche Verschiebungen bemerkbar und es ist davon auszugehen, dass diese in Zukunft häufiger auftreten werden. Da mehrere Anbauregionen von Klimarisiken betroffen sein könnten, wird es umso wichtiger, resilientere Anbaugebiete zu erschließen. Doch gerade beim Rohstoff Kaffee ist das nicht so einfach, schließlich muss „der Kaffee aus Kolumbien kommen, sonst schmeckt er anders“. Während beim Kaffee eine Diversifizierung der Lieferketten schwierig ist, kann Tchibo bei den Non-Food-Produkten flexibler agieren, da diese unabhängig von Anbaugebieten über resiliente Lieferanten weltweit beschafft werden können.
Risiken im Wassermanagement systematisch evaluieren
Auch das Wassermanagement in den Anbaugebieten ist ein wichtiges Thema: Tchibo hat 2018 mit dem WWF eine Wasserrisikoanalyse mit Hilfe des Tools „Water Risk Filters“ durchgeführt. Diese Analyse, die mittlerweile alle zwei Jahre gemacht wird, kann konkrete Risiken im Themenfeld Wasser anzeigen. Entlang der Wertschöpfungskette für Baumwolle stellen Überschwemmungen ein zusätzliches Risiko dar. Diese können in den Anbaugebieten zu Ernteausfällen und Fäule an den Pflanzen führen. Sie können an den Produktionsstandorten auch das Einfärben bereits produzierter Textilien beeinträchtigen.
„Wir gehen sparsam mit wertvollen Ressourcen wie Wasser um. Einsparungen bei der Produktion sind mit Blick auf die Wasserknappheit eine klare Vorgabe. Auch Überschwemmungen an den Standorten stellen ein Risiko dar und beschäftigen uns bei strategischen Entscheidungen“, sagt CSR-Abteilungsleiterin Kristine Kölling.
Hitzewellen beeinflussen Produktion und Produktivität
Auch die steigenden Temperaturen werden in den Produktionsländern zunehmend problematisch. „In Deutschland ist bei 34°C Hitzearbeit, das gilt in anderen Ländern nicht. Mitarbeiter:innen vom Produktionsstandort in Bangladesch berichteten uns, dass sie bei 45°C Schwierigkeiten haben, zur Arbeit zu kommen. Die Hitze macht zudem nicht nur den Menschen vor Ort zu schaffen: Frachtcontainer heizen sich während des Transports extrem auf, was sich auf die Qualität des Kaffees auswirkt“, erläutert Marijke Schöttmer.
Welche Maßnahmen der Klimaanpassung passen zu Tchibo?
Der Workshop mit den CSR-Expert:innen von Tchibo zeigte die Vielfalt der Risiken entlang der Lieferketten auf. Eine weitergehende detaillierte Ermittlung ist notwendig, um effektive Maßnahmen für das global agierende Unternehmen als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie unmittelbar mit dem Risikomanagement und den künftigen Investitionsentscheidungen zu verknüpfen.
Im Hinblick auf mögliche Maßnahmen diskutierten die Teilnehmenden immer wieder über traditionelle Lösungen und Maßnahmen, die in hitzegeplagten Ländern oder niederschlagsbetroffenen Regionen angewandt werden. „Man kann viel voneinander lernen. Es sollte einen intensiven Austausch zwischen unterschiedlichen Standorten geben“.
So werden beispielsweise in Bangladesch die Gebäude von außen besprüht, wenn die Außentemperatur zwischen 35°C und 45°C liegt. Wichtig ist hierbei immer mit den Mitarbeitenden vor Ort auf Augenhöhe zu sprechen und sie bei der Findung von Lösungen miteinzubeziehen und in anderen Infrastrukturen zu denken. Die Vorstellung der HDE-Adapt Maßnahmenliste zur Klimaanpassung zeigte noch weitere Lösungen für das Unternehmen und seine Lieferanten auf, einschließlich solcher, die in gemieteten Immobilien umgesetzt werden können.
Wie kann man sich in der Lieferkette anpassen? „Natürlich können Lieferanten ausgewechselt werden. Doch müsste das eigentliche Ziel nicht sein, bestehende Partnerschaften zu erhalten und die Standorte in den Anbaugebieten klimaresilient zu machen?“, fragt Katharina Heye. Dennoch können trotz präventiver Anpassungsmaßnahmen Restrisiken bestehen bleiben, für die ein Ausweichen auf andere Regionen notwendig wird. Eine strategische Maßnahme könnte folglich sein, insbesondere jene Regionen weiter auszubauen, die in Zukunft nicht so stark von Klimarisiken betroffen sein werden. „Wenn es Probleme in Brasilien gibt, muss der Kaffee verstärkt aus Honduras bezogen werden“.
Tchibo engagiert sich bereits sehr stark für den Schattenwaldanbau und den Anbau klimaresilienter Kaffeepflanzen. Des Weiteren besitzt das Unternehmen seit 2022 ein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm für den Kaffeeanbau, in dem bewährte ökologische Anbaumethoden auf die konventionelle Landwirtschaft übertragen und ein nachhaltiges Wassermanagement etabliert werden. Wichtig ist, einen „Exchange of Knowledge“ zu ermöglichen, in dem praktische Anwendungsbeispiele ausgetauscht werden.
Mit neuen und innovativen Ideen in Richtung Klimaresilienz
Der Workshop des HDE bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich ausschließlich mit dem Thema Klimaanpassung auseinanderzusetzen und neue Perspektiven für die Bewältigung der kommenden Herausforderungen zu gewinnen. „Durch den Workshop können wir unsere Klimarisiken besser einordnen. Für uns stehen ökonomische und strategisch nachhaltige Lösungen im Vordergrund“, sagt die Leiterin des Circular Solutions Lab, Kristina Kölling.
Es wurde auch deutlich, dass Klimaschutz und Klimaanpassung für Tchibo Antworten auf dieselbe Fragestellung geben können. „Klimaschutz ist der Beginn für eine erfolgreiche Klimaanpassung“, stellt Dr. Katharina Heye fest. „98% der Treibhausgasemissionen entstehen bei uns im Scope 3“. Die Senkung dieser Emissionen ist unabdingbar. Eine systematisch gedachte Klimaanpassung hilft dabei, gegen die Restrisiken des Klimawandels gewappnet zu sein und resilienter zu werden.
Das HDE-Adapt Seminar war ein erster Schritt, um dem Hamburger Handelsunternehmen Impulse für die Erweiterung ihrer Klimastrategie zu geben. Viele bereits ergriffene Einzelmaßnahmen zahlen schon in die Klimaanpassung ein und können jetzt systematisch erweitert werden.
Wir freuen uns sehr, dass wir den Teilnehmenden erste Anhaltspunkte dazu geben konnten, wie sie weiter vorgehen können und sind gespannt, wie die Klimaanpassung bei Tchibo weiterentwickelt wird.
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