Laut Statista betrug der Anteil der Einzelhändler mit Lieferproblemen im Jahr 2023 in Deutschland 34,8 Prozent. Überdurchschnittlich betroffen waren der KFZ-Handel mit 51,5 Prozent und der Lebensmittelhandel mit 73,2 Prozent.

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Anteil der Einzelhändler mit Lieferproblemen nach Branchen in Deutschland im Jahr 2023

 

Nun sind nicht alle Schwierigkeiten der Klimakrise zuzuordnen. Bereits Pandemie, Ukraine-Krieg und Huthi-Rebellen haben deutlich gemacht, wie fragil die global vernetzten Lieferketten mitunter sind und wie verletzlich das internationale Handelssystem sein kann. Längst ist auch der Einfluss der Wetterextreme unverkennbar. So dürfte der hohe Anteil an Lieferschwierigkeiten im KFZ-Handel im Jahr 2023 zu großen Teilen auf die Flutkatastrophe in Slowenien zurückzuführen sein, wo zahlreiche Automobilzulieferer angesiedelt sind, was zugleich das Risiko von Cluster-Bildungen in der Beschaffung deutlich macht. Im Bereich Lebensmittel hingegen spielen Ernteausfälle eine immer größere Rolle und das weltweit. Dürren, Brände, Überschwemmungen, Stürme, Schädlingsbefall – Ernten geraten von vielen Seiten in Gefahr. 

 

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Dürre in der Landwirtschaft

Dramatische Auswirkungen der Klimakrise erwartet

„Zunehmend bedroht die Klimakrise die Welternährung“, heißt es seitens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. „Klimawandel bedroht Preisstabilität“ titelt wiederum das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, das eine Studie mit der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgeführt hat. Steigende Temperaturen könnten demnach die Nahrungsmittelinflation bis 2035 jährlich um 3,2 Prozentpunkte und die Gesamtinflation um 1,18 Prozentpunkte antreiben. 

Die Umweltorganisation WWF prognostiziert außerdem, dass bis zum Jahr 2050 fast die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung aus Regionen mit hohem Wasserrisiko stammen könnte. Laut dem „Umweltatlas Lieferketten“ sind Baumwolle (10.000 l/kg) und Kaffee (18.000 l/kg) die mit dem größten Wasserverbrauch angebauten Pflanzen. Einzelhändler Tchibo beispielsweise, der 80 Prozent seiner Umsätze mit Kaffee und Textilien erwirtschaftet, hat daher schon 2018 zusammen mit dem WWF den „Tchibo Water Report“ erstellt und dabei eine Wasserrisikoanalyse vorgenommen, um strategisch richtige Zukunftsentscheidungen treffen zu können. 

Lieferketten können an verschiedenen Stellen reißen

Unterbrechungen der Lieferketten können, wie bereits deutlich wurde, am Ursprungsort ihren Ausgangspunkt haben: auf landwirtschaftlichen Flächen oder in Produktionsbetrieben, die durch Schäden an Gebäuden und Produktionsanlagen beziehungsweise durch eingeschränkte Energie- und Wasserversorgung betroffen sind. Ebenso sind Logistikbetriebe und Verkehrsinfrastruktur empfindliche Stellen. 2023 beispielsweise wurde die Trockenheit in Deutschland zu einer Belastung für die Binnenschifffahrt. Auf einigen Flüssen, darunter der Rhein, konnten Schiffe nur langsamer und mit weniger Ladung fahren. Insbesondere die deutsche Chemie- und Stahlindustrie hatten darunter zu leiden. Wegen der Dürre in Mittelamerika fehlte aber auch Wasser im Panamakanal, dem Nadelöhr für den Seehandel zwischen Asien, Nord- und Südamerika. 

Die Beispiele zeigen auf: Vorsorge und die Adaption an neue Rahmenbedingungen werden unerlässlich.

 

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Frachtschiff bei Niedrigwasser im Hafen

Was also kann und sollte der Einzelhandel tun?

  • Transparenz über das gesamte Liefernetzwerk aufbauen, im Idealfall End-to-End und mit digitalen Tools zur (Echtzeit-)Verfolgung der Lieferkette bzw. mit kontinuierlichem Informationsfluss. 
  • Die Klimarisiken in den eigenen Lieferketten analysieren.

Mit dem  „Umweltatlas Lieferketten“  oder auch dem „WWF Riskfilter“ zu Biodiversität und Süßwasser können sich Unternehmen einen ersten Überblick über mögliche Hotspots in ihrer Lieferkette verschaffen.

  • Ein gut funktionierendes betriebliches Risikomanagement aufbauen, inklusive Eventualfallplanung und Notfallvorsorge.
  • Eine moderne Nachfrage- und Warennachschubplanung mithilfe künstlicher Intelligenz implementieren, die auch die Wetterbedingungen miteinbezieht.

Das Unternehmen Globetrotter ist bereits entsprechend aktiv, nähere Informationen finden Sie hier.

  • Aspekte der Risikovorsorge in Rahmenverträge oder in den Lieferantenkodex aufnehmen.
  • Risikostreuung betreiben, also eine Diversifikation sowohl der Lieferantenbasis als auch der Beschaffungswege/Logistikpartner vornehmen.
  • Lieferanten sorgfältig auswählen und partnerschaftlich mit ihnen kooperieren.
  • Die regionale Beschaffung stärken. (Doch Achtung: Bekanntlich sind inzwischen auch die Klimarisiken in Deutschland hoch. Kürzere Lieferwege reduzieren jedoch Lieferzeit sowie -risiko und senken vielfach den CO2-Ausstoß. Wobei regionale Produkte in Ausnahmefällen eine schlechtere Ökobilanz aufweisen können als importierte Ware aus Übersee. Beispiel: regional geerntete, aber abseits der Saison in Kühlhäusern eingelagerte Früchte).
  • Klimaschutz und Klimawandelanpassung betreiben: Bei einem gemeinschaftlichen Zitrus-Anbauprojekt von WWF und EDEKA in Südspanien ist es zum Beispiel gelungen, durch eine nachhaltigere Bewässerung 1,668 Millionen Liter Wasser in einem Jahr einzusparen – und die Betriebe so für eine effiziente Wassernutzung zu sensibilisieren und zudem auf eine geringere Wasserverfügbarkeit vorzubereiten. EDEKA hat Süßwasserschutz bereits seit 2012 als einen Schwerpunkt in seinem Bestreben für nachhaltigere Lieferketten von Agrarprodukten festgelegt und arbeitet mit Landwirten vor Ort intensiv daran, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten in Bezug auf Wasserrisiken zu erhöhen. Das ist zugleich ein gutes Beispiel für den o. g. Aspekt, partnerschaftlich mit den Lieferanten zu agieren.

Übrigens: Der HDE-Adapt Selbsttest zum Klimaanpassungsbedarf ist der perfekte Einstieg in die Klimaanpassungsplanung.

  • Die Sortimentsauswahl verändern. Die Modebranche beispielsweise reagiert aktuell verstärkt mit saisonunabhängigen Artikeln auf die zu den Orderzeitpunkten unberechenbaren Wetterbedingungen. Das erhöht zugleich die zeitliche Flexibilität von Lieferungen.
  • Die Lagerkapazitäten erweitern.
  • Netzwerkarbeit innerhalb der Branche betreiben und u. a. Warentausch in Händlernetzwerken vornehmen (unternehmensübergreifende Umlagerungen).
  • Verbrauchern auch „unvollkommenes“ Obst und Gemüse schmackhaft machen. Noch wird Obst und Gemüse teils nicht geerntet oder entsorgt, wenn es nicht dem Schönheitsideal entspricht. Ein „Luxus“, den man sich als Gesellschaft künftig wahrscheinlich nicht mehr wird leisten können.

Es ist also einiges möglich.

 

Weitere Infos:

Mit unseren Arbeitshilfen zur Klimaanpassung unterstützen wir Sie dabei, die eigene Betroffenheit gegenüber Klimawandelfolgen wie Starkregen, Stürmen und Hitzewellen zu überprüfen und mögliche Klimaanpassungsoptionen abzuleiten. 
Unsere Maßnahmenliste zur Klimaanpassung zeigt Ihnen, welche potenziellen Maßnahmen es zur Stärkung der Klimaresilienz Ihrer Lieferketten gibt.