Dachflächen machen Erhebungen zufolge bis zu 50 Prozent der versiegelten Stadtflächen aus. Daneben gehören Fassaden ebenfalls zu den größten ungenutzten Flächen im urbanen Raum. Sie zu begrünen, bringt zahlreiche Mehrwerte mit sich. Die Liste der Vorteile ist vielfältig – für Gebäudenutzer und -eigentümer, Umgebung und Umwelt. 

Die Vorteile im Detail:

  • Hitzeschild im Sommer: Die Verschattungswirkung der Begrünung verhindert das Aufheizen des Daches beziehungsweise der Fassade. Laut Report 30 „Gebäudebegrünung und Klimawandel“ vom GERICS Climate Service Center Germany können konventionelle Dächer mit dunklen Bitumenbahnen im Sommer Temperaturen von über 90° C zur Mittagszeit erreichen. Auf begrünten Dächern sind hingegen sowohl die Spitzentemperatur als auch die Temperaturamplitude im Tagesverlauf deutlich geringer. Mitunter können daher sogar Klimaanlagen herunterreguliert werden beziehungsweise laufen diese effizienter.

Um die klimatische Wirksamkeit von Begrünungs-Maßnahmen aufzuzeigen und vorab zu simulieren, gibt es mit dem „Greenpass“ übrigens bereits ein Planungs- und Zertifizierungstool.

  • Dämmende Wirkung:  Im Sommer verringert sich der Wärmeeintrag von außen, im Winter der Wärmeverlust des Gebäudes nach außen – mit entsprechend positiver Wirkung auf Innenraumklima und Energiekosten. 
  • Gründächer schützen die Dachabdichtung vor Witterungseinflüssen wie etwa Sturm, Hagel, UV-Strahlung und extremen Temperaturen sowohl im Plus- als auch Minusbereich, wodurch sich die Lebensdauer der Bausubstanz erhöht. Reparaturen und Komplettsanierungs-Maßnahmen sind erst in größeren Abständen erforderlich.
  • Gründächer sind ein wichtiges Teilelement für das urbane Regenwassermanagement durch Niederschlagsrückhaltung und Abflussverzögerung bei Regenereignissen. Dadurch werden die kommunalen Entwässerungssysteme entlastet und die Gefahr von Überflutungen bei Starkregen gesenkt. Spezielle Retentions- oder Schwammdächer nach dem Purple Roof Konzept leisten hier besonders viel. Allerdings: Mit steigender Wasserspeicherkapazität steigt auch das Gewicht. Zur groben Orientierung: Gründach-Experten geben das Gesamtgewicht extensiver Leichtgründächer (niedrigwüchsige, an extreme Standortbedingungen angepasste Pflanzen, die im Regelfall keine zusätzliche Bewässerung benötigen) mit etwa 60 bis 150 kg/qm an, begrünte Dachgärten können bis zu 1.000 kg/qm erreichen. Es sollte also ein Statiker eingebunden werden.
  • Je nach behördlicher Grundlage sinken die Abwassergebühren für Niederschlagswasser.
  • Erhöhung der Biodiversität, da Gründächer und -fassaden Lebensraum für Pflanzen und Tiere (Insekten, Vögel) bieten.
  • Visuelle Aufwertung, die von vielen Menschen als positiv für die allgemeine Lebensqualität empfunden wird, und dadurch Imagesteigerung
  • Schallschutz durch Absorption von Geräuschen.
  • Gesteigerter Wert der Immobilie.
  • „Begrünte Dächer und Fassaden besitzen das Potential, die Überwärmung städtischer Gebiete – bekannt als urbaner Hitzeinseleffekt – zu reduzieren“, heißt es im o.g. Report 30 „Gebäudebegrünung und Klimawandel“. In Frankfurt am Main beispielsweise ist es inzwischen laut Gestaltungssatzung „Freiraum und Klima“ sogar Pflicht, neue Häuser sowie Bestandsgebäude im Rahmen von Umbaumaßnahmen zu begrünen.
  • Eine generelle Verbesserung des Mikroklimas und der Luftqualität durch eine Minderung von Luftschadstoffen, Feinstaubbindung und der Reduktion von CO2.
  • Schallschutz durch Absorption von Geräuschen.
  • Gründächer stellen eine anerkannte Maßnahme der sog. Eingriffs-Ausgleichs-Regelung dar, indem sie einen ökologischen Ausgleich für versiegelte Flächen schaffen.
  • Bonus: Bei vorhandenem Gründach können Photovoltaik-Anlagen einen höheren Stromertrag erzielen. Claudia Tomsits, Regio Marketeer DACH & Iberica bei Sempergreen, erklärt: „Die idealen Bedingungen für eine PV-Anlage sind 25° Celsius. Berechnungen zufolge verursacht jedes Grad darüber einen Ertragsverlust von 0,5 Prozent. Es ist ein Irrglaube, dass Solarpaneele bei hohen Temperaturen eine besonders hohe Ausbeute bringen. Diese machen vielmehr die Pflanzen mit ihrer Verdunstungskälte möglich.“ Beide Nutzungen auf derselben Fläche schließen sich also nicht aus, sondern im Gegenteil: Sie bilden Synergien. Entscheidend ist jedoch eine abgestimmte Planung; so sollten u.a. die Pflanzen die Paneele nicht verschatten. Viele Unternehmen bieten Gründach und PV-Anlage daher im „Doppelpack“ an.

 

Oftmals müssen die PV-Module dann auch nicht mit Stützen im Dachaufbau verankert werden, da das Begrünungssystem selbst genug Auflast bildet, um die Anlage zu beschweren und damit zu sichern. So verteilt sich die Auflast zudem gleichmäßiger auf die Fläche. Aber Achtung: Bei Kombination mit Solartechnologie muss das Dach noch etwa zusätzlich 25 kg/qm tragen können.

Planung und Umsetzung – worauf zu achten ist

Eine sorgfältige fachkundige Planung, Ausführung, Instandhaltung und Pflege sind essentiell und wichtige Grundlage. Die empfehlenswerte Einbindung eines Statikers klang bereits an. Wenn die Dachabdichtung erneuert werden muss oder nicht mehr wasserdicht ist, ist sie vor der Installation des Gründachs zu ersetzen. Ist die Dachabdichtung nicht wurzelfest, sollte zugunsten von Gebäudeschutz und Langlebigkeit der Lösung zunächst eine Wurzelschutzfolie aufgebracht werden. Bei Fassaden wiederum müssen im ersten Schritt Rissbildungen oder Abplatzungen instandgesetzt werden. Auch brandschutztechnische Erfordernisse sind zu berücksichtigen.

„Wir können aber grundsätzlich alle Arten von Dachflächen begrünen“, betont Klaus Kornprobst, Geschäftsführer des Unternehmens Climagrün, und fügt hinzu: „Flachdächer sind besonders geeignet. Je schräger das Dach, desto intensiver muss die Planung sein und desto höher ist der Verlege- und Wartungsaufwand.“ Die Botschaft an Bauherren: Wer will, der kann auch – wobei bei stärker geneigten Dächern dann beispielsweise intensivierte Maßnahmen für Schubsicherung und Erosionsschutz zu ergreifen sind. 

Den oben aufgeführten Pluspunkten, zu denen Kostenersparnisse gehören, stehen leicht erhöhte Investitionskosten sowie die notwendigen Finanzmittel zur Pflege und Instandhaltung gegenüber. Laut dem Leitfaden Fassadenbegrünung“ der Stadt Wien liegen die Errichtungskosten von Begrünungen meist bei unter zwei Prozent der Gesamtbaukosten. 

Es gibt verschiedene Fördermöglichkeiten

Sowohl für Dach- und Fassadenbegrünungen als auch für die Nutzung von Solarenergie gibt es zudem teils Fördermittel in Form von Zuschüssen und/oder zinsgünstigen KfW-Krediten. Auf der Homepage des Bundesverbands Gebäudegrün ist ganz gezielt eine Liste mit Förderprogrammen auf kommunaler sowie Landes- und Bundesebene zur Gebäudebegrünung verfügbar. 

Praxisbeispiele für Gebäudebegrünung im Einzelhandel 

Kö-Bögen, Düsseldorf

Über 30.000 Hainbuchenpflanzen summieren sich an dem Geschäfts- und Bürogebäude-Komplex (geplant von Ingenhoven Architects) zu insgesamt acht Kilometer Hecke oder anders ausgedrückt Europas wohl größter Grünfassade. Der ökologische Nutzen entspreche dem von rund 80 ausgewachsenen Laubbäumen. Die Hecken wachsen in einem speziellen Begrünungssystem aus horizontal angeordneten Behältern an einer separaten, fest mit der Fassade verbundenen Tragstruktur.  Mit der Hainbuche wurde bewusst eine heimische Pflanzenart ausgewählt. Im Frühjahr leuchtet sie in frischem Hellgrün, im Sommer lässt sie sich in kräftigem Dunkelgrün blicken, und im Herbst zeigt sie sich goldbraun.

HDE-Adapt Kö-Bogen

Skyline Plaza, Frankfurt/Main

Das Dach der fünften Etage des Skyline Plaza Shopping Centers in Frankfurt/Main wurde nicht nur begrünt, sondern als Skyline Garden gestaltet. Die Begrünung mit Kiefern, Himalaya-Birken und Platanen, Gräsern und Stauden dämmt gegen die starke Aufheizung des Daches und darunter liegender Verkaufsräume. Gleichzeitig bietet das Dach einen attraktiven Freiraum mit ausgewogenem Mikroklima. Ausgestattet mit einem Dachrestaurant, Spielplatz und nutzbarer Freifläche, die für vielfältige Aktionen und Events wie Campen im Sommer oder Eislaufen im Winter genutzt wird, ist es attraktiv für Kunden nach einem Shopping-Besuch und steigert den Umsatz des Centers. Die Begrünung der Dachfläche und das nachhaltige Regenwassermanagement gehören zu den zentralen Elementen der Gold Zertifizierung des Skyline Plaza nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

HDE-Adapt Skyline Plaza Frankfurt aM

IKEA Wien Westbahnhof

Der 2021 eröffnete IKEA Standort am Wiener Westbahnhof (geplant von den querkraft Architekten) ist umfassend begrünt. 160 Bäume sowie Sträucher befinden sich an allen vier Fassadenseiten sowie auf dem Dach. Die Fassade mutet wie ein Setzkasten an. Die rund 4,5 m tiefe Außenzone legt sich quasi als schattenspendendes Regal um das Gebäude. Computersimulationen ergaben, dass das mit Greenpass-Zertifikat „Platinum“ ausgezeichnete Gebäude die Umgebungstemperatur um bis zu 1,5°C abkühlt. 

HDE-Adapt IKEA Wien Heausler Querkraft